Unterhalten sich zwei Computer im Gesundheitsamt. Sagt der eine: „Ich verstehe nicht, was Du meinst.“ Darauf der andere: „Dann fehlt es Dir an künstlicher Intelligenz.“ „Stimmt“, sagt der erste. „Die DSGVO verhindert das nötige Update.“

Was bringt uns KI? Ist die künstliche Intelligenz eine Gefahr für die Menschheit? Oder doch die Chance auf längeres Leben, bessere Gesundheit und sogar mehr Freizeit? Wie sollen wir mit KI umgehen? Welche Entwicklungen sind möglich? Welche Chancen gibt es, welche Grenzen müssen wir setzen? Darüber diskutierte die CDU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Das Thema des Werkstattgesprächs: Nützlicher Helfer oder Terminator? Chancen und Herausforderungen künstlicher Intelligenz.

„Wir leben in einer Zeitenwende. Wir erleben, dass alles immer schneller wird. Wir sind in der vierten industriellen Revolution.“ Carsten Linnemann

Richtig ist: Künstliche Intelligenz macht vor der Arbeitswelt keinen Halt. Ganz im Gegenteil – schon heute wird deutlich: „Wir werden in wenigen Jahren keine Berufsbilder mehr haben, die nicht von KI unterstützt werden“, fasst Carsten Linnemann zusammen. Für ihn ist klar: Deutschland braucht wieder Lust auf Technologie und Innovation, Mut und Zuversicht statt Zögern und Zaudern. KI ist eine Chance, Wohlstand zu mehren, Lebensqualität zu erhöhen und mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Dafür, so Linnemann, „müssen wir die Technologie in unserem Sinne gestalten“: Menschen nicht überfordern, Sicherheits- und ethische Standards fördern, Kontrolle und Rechenschaft einfordern, wo es nötig ist.

Gesund bleiben, länger leben – auch dazu kann künstliche Intelligenz beitragen. Im Workshop ‚Gesundheit‘ fragt Ronja Kemmer hochkarätige Fachleute: Was ist möglich? Wo sind Grenzen? Und was muss anders werden?

KI-Werkstattgespräch-040 63756-S Ronja Kemmer (Mitte) im Gespräch mit Professorin Dagmar M. Schuller und Tobias Schreiegg. (Fotograf: Martin Funck)

Von Knight-Rider zur Audio-KI Made in Germany

Dagmar Schuller ist CEO und Mitbegründerin von audEERING. Das Unternehmen integriert die Audioanalyse in Ihre Software und Hardware und entwickelt damit unter anderem KI-Plattformen für das Gesundheitswesen. „Nicht nur, was jemand sagt, sondern auch, wie jemand etwas sagt“, kann auf Krankheiten hinweisen, erklärt Schuller. Die Auswertung der Stimmlage kann beim Erkennen von Krankheiten und Emotionen helfen.

„Die Endzeitangst ist das größte Hindernis. Aber wenn die KI die Menschheit auslöschen könnte, dann hätte sie gar kein Interesse daran.“ Dagmar Schuller

Mit dem Audiosensor lassen sich diese Veränderungen „sehr einfach, massentauglich“ erkennen, so Schuller. Als konkrete Beispiele zur Anwendung benennt sie unter anderem Screening, „vor allem auch bei langwieriger Betrachtung“, wie zum Erkennen von neuronalen Veränderungen. Denn Sprache verändert sich bei Krankheit durch Einwirkung auf die Muskelgruppen. Kognitive Veränderungen äußern sich auch in der Aussprache. Tumore und andere Erkrankungen führen zu Veränderungen von Muskeln, direkt oder indirekt. Aber Schuller stellt auch klar: „Wir machen keine Diagnosen. Wir unterstützen aber Diagnosen.“

Die Idee für das Start-Up kam Schuller durch das Fernsehen, sagt sie: „Das Unternehmen wurde getriggert durch Knight-Rider. Das Auto hat erkannt, wie sich der Fahrer fühlte.“ Heute steht das Unternehmen zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und fertigem Produkt. Derzeit stehen vor allem viele Themen aus Brüssel im Mittelpunkt.

Verhindert Persönlichkeitsschutz die Datennutzung?

Eines der größten aktuellen Probleme liegt aus Forschersicht in Überregulierung, so Schuller: „Wir dürfen uns nicht von vorneherein beschneiden.“ Denn Entwicklung findet statt, wenn nicht mit uns, dann ohne uns.

Insbesondere die KI-Verordnung und Datenschutz müssen so ausgestaltet sein, dass sie „Innovation nicht hemmen“.“, sagt Schuller. Denn ohne Daten geht bei KI nichts, gerade auch in der Gesundheitsforschung: „Es gibt unterschiedliche Algorithmen und Modelle. Um diese anwenden zu können, braucht man Daten. Ohne Daten kommt man nicht zu optimalen Lösungen.“

Durch unsere Art des Datenschutzes nehmen wir uns in Europa manche Möglichkeiten, stellt sie fest. Derzeit werden deshalb Daten zugekauft, aus Asien oder Afrika. Doch genetische Unterschiede verfälschen Erkenntnisse für Europa. Die Unternehmerin Schuller wünscht sich daher mehr Offenheit: „Es muss zweckoptimiert reguliert werden.“

KI in Arztpraxen? Selbstverständlich!

Diese Ansicht teilt Tobias Schreiegg. Er ist Director Regulatory Affairs für Siemens Healthineers. Auch hier funktioniert Gesundheitsforschung mit KI. Er ist sicher: Es wird eine große Transformation erfolgen, auch im Gesundheitswesen. Und das wird Schritt für Schritt erfolgen. Klar ist dabei: Der Arzt soll nicht abgeschafft werden. „Aber der Arzt soll KI benutzen wie Katheter und Blutdruckmessgerät.“

Denn KI kann Verfahren verbessern und Diagnosevorbereitung optimieren. „Unsere Produkte gehen diese Herausforderungen an“, sagt er. „Wir müssen dafür sorgen, einen verlässlichen Pfad für das Ausrollen neuer Wege zu finden und die Innovationsabteilungen unterstützen.“

Maßvolle Regulierung für mehr und bessere Forschung

Schreiegg macht deutlich, die DSGVO schützt Persönlichkeitsdaten. Das ist eine Herausforderung für die Gesundheitsdaten, die - zu Rechht - nur anonymisierte Daten nutzen kann. Er stellt aber die Frage: Wann ist Anonymisierung ausreichend? Denn, wird das Gesetz zu eng ausgelegt, kann Forschung keine optimalen Ergebnisse hervorbringen.

„Ich schaffe Vertrauen durch Transparenz. Sagen, wie es funktioniert, dann wird das Interesse an KI da sein.“ Tobias Schreiegg

Warum, so fragt er, dürfen Blutproben-Reste aus Krankenhäusern nicht zur Forschung genutzt werden? Durch einfache Zustimmung der Patienten ließen sich diese Proben zur Forschung einsetzen. Auch Röntgenbilder dürfen nicht weiter zur Forschung genutzt werden. Auch die Zustimmung dafür sollte ohne komplizierte Verfahren eingeholt werden dürfen. „Künstliche Intelligenz ist Software“, betont der Healthineer. Software selbst löst keinen Schaden aus. Das machen nur Menschen. Durch richtige Rahmen lassen sich „digitale“ Restproben weiter nutzen.

Schreiegg fordert die Politik auf: „Wir brauchen eine Entschärfung in der DSGVO, um die Gesundheitsdaten nutzen zu können.“ Die Daten sollten dann EU-weit möglichst gleich genutzt und auch weitergereicht werden können. „Es braucht einen europäischen Gesundheitsdaten-Raum.“

Ronja Kemmer: „Wir müssen die Chancen in den Mittelpunkt stellen.“

„KI kann Unterstützung leisten“, stellt Ronja Kemmer zum Abschluss fest. Die Vorsitzende der CDU-Fachkommission „Humane Digitalisierung“ sagt: „Wir müssen diese Chancen in den Mittelpunkt stellen. Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass solche Dinge entwickelt werden. Es geht nicht darum, dass KI den Arzt ersetzt. Es geht darum, dass sie ihn unterstützt. Es ist wichtig, dass am Ende immer ein Mensch die letzte Entscheidung hat.“

„Wir wollen Mutmacher sein.“ Ronja Kemmer

KI-Projekte im Gesundheitsbereich helfen den Menschen. Sie dürfen nicht am Datenschutz scheitern. Regulierungen müssen den Menschen dienen und dürfen nicht die Chancen verbauen. „KI ist gekommen, um zu bleiben“, ist sich Kemmer sicher. „Es gibt aber viele Fragen. Wir brauchen Antworten. Und wir brauchen Optimismus und Mut.“ Dafür erntet sie an diesem Abend den lautesten Applaus aus dem Publikum. Ein gutes Omen für die Fachkommission „Humane Digitalisierung“, die Kemmer steuert und welche schon im nächsten Jahr ihre Ergebnisse vorstellen wird.

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