Eines ist sicher: die Bildung, besser noch, die gesamte Bildungsbiografie vieler Schülerinnen und Schüler in Deutschland ist verheerend. Das haben bereits die Pisa-Studien von 2012 gezeigt. Zustände wie Homeschooling während der Corona-Pandemie haben diese Situation noch dramatischer gemacht, als sie ohnehin schon war. Das Ergebnis: Durchschnittlich 20 Prozent, also jedes vierte Schulkind, kann in der vierten Klasse noch nicht richtig lesen und schreiben. Der Schulwechsel zur weiterführenden Schule erfolgt mit ungünstigen Voraussetzungen. Oft fehlen Grundlagen für die weiterführende Schule, was häufig mit dem Schulabbruch endet. Auch an Berufsschulen ist es der Mehrheit an Schülern nicht möglich, einen Text laut vorzulesen und anschließend den Inhalt des Vorgelesenen wiederzugeben. Oft zeigt sich bei diesen Ergebnissen der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft.

So kann es nicht bleiben, denn Sprache ist der Schlüssel zur Bildung. Auch der Hessische Kultusminister Alexander Lorz weist im Gespräch auf die Bedeutung der Sprache in der gesamten Bildungsbiografie hin. Sie ist der Kern nicht nur für die schulische, sondern auch für die anschließende berufliche Laufbahn der Schülerinnen und Schüler. Daran lässt sich die ‚Erfolgsquote‘ in der Schule festmachen. Dabei macht er deutlich: „Entscheidend ist nicht die Herkunft, sondern der Sprachstand.“

Deswegen gibt es in Hessen – anders als in den meisten Bundesländern – bereits im Alter von viereinhalb Jahren Sprachtests, die mittlerweile verpflichtend sind. Diese Tests erfolgen mit der Schulanmeldung und konnten bewirken, dass mittlerweile jedes vierte Kind im Kitaalter sprachliche Vorlaufkurse besucht. Der Erfolg ist mehr als deutlich: Die Zahl der Zurückstellungen zur Einschulung aufgrund eines unzureichenden Sprachstands wurde halbiert.

Auch im Bundesland und Stadtstaat Hamburg gibt es bei erhöhtem Förderbedarf eine Pflicht zum Kitabesuch und einer damit verbundenen Sprachschulung. Doch unabhängig von der Parteifarbe macht letztlich jedes der Bundesländer in den Worten von Karin Prien „irgendetwas“, was im Ergebnis zu einem bunten Flickenteppich führt. Davon profitiert niemand. Insbesondere die Kinder und deren Zukunft bleiben ohne Vorteil.

Und nun? Das Kinderzukunftspaket als Chance

Auf dieser Grundlage ist das Kinderzukunftspaket ins Leben gerufen worden, mit dem die CDU einen neuen Kurs einläuten will. So können alle Kinder unabhängig ihrer Herkunft dieselben Chancen in Anspruch nehmen. Es geht darum, die persönlichen Ziele verwirklichen zu können.

Um dieses Vorhaben zu erreichen, muss einiges entlang der ganzen Bildungsbiografie geändert werden, angefangen bei der Frühkindlichen Bildung. Aktuell unterliegen Kita und Schule unterschiedlichen Ministerien, was eine Zusammenarbeit entsprechend kompliziert bis unmöglich macht. Nicht nur innerhalb dieser beiden Ressorts, auch unter den Bundesländern selbst braucht es eine viel bessere Vernetzung. Für Karin Prien steht fest: „Wir müssen das ganzheitlich denken. Wir müssen die Familienminister überzeugen, dass sie auch eine große Verantwortung tragen für den Erfolg der Kinder in der Schule.“ Erst dann wird ist es möglich, rechtzeitig und gezielt zu fördern. Das bedeutet dazu zu ermuntern, so Prien, dass Kinder eine Diagnostik Kita bekommen. „wir müssen mit vier Jahren schauen“, fährt sie fort: „Kann das Kind Deutsch oder nicht. Dann müssen gegebenenfalls Spracherziehungen folgen.“ Das hilft gegen Schulabschluss und schafft Chancen, ist sich die Kultusministerin Schleswig-Holsteins sicher.

„Umso früher wir anfangen, umso größer ist auch der Erfolg.“ Karin Prien

Bildungspolitik im Dialog

Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien in der Diskussion zur Bedeutung der deutschen Sprache in der Bildung (Foto: Anika Nowak)

Selbst wenn die frühkindliche Bildung als Vorbereitung auf die Schulzeit bestmöglich genutzt wird, muss Lernen als Kontinuum betrachtet werden. Das bedeutet, auch in der Grundschule intensiv weiter an der deutschen Sprache zu arbeiten. Denn ohne Bildung keine Teilhabe, so Prien. Damit dieses Vorhaben erfolgreich gelingt, sieht das Kinderzukunftspaket eine Mindestanzahl von Deutsch- Unterrichtsstunden vor. Fünf Schulstunden und zusätzliche Zeit, die einzig für das Lesen vorgesehen ist.

Das klingt nach einem Wunschzustand, angesichts von Lehrer und Fachkräftemangel. Zudem ist Deutschland mittlerweile zweifellos ein Einwanderungsland, in dem viele Kinder allein schon aus psychischer Überlastung und aufgrund traumatischen Kriegserfahrungen nicht in der Lage sind, Neues zu lernen. Das erfordert im Umkehrschluss wiederum spezialisierte Fachkräfte. Doch auch für diese Probleme hat das breit ausgelegte Kinderchancenpaket Lösungsstrategien ausgearbeitet.

Sprache als Schlüssel zu Bildung

Am Ende ist Sprache der Schlüssel zur Bildung und ohne Bildung gibt es keine Teilhabe. Deswegen ist es umso wichtiger den großen Mythos „Deutsche Sprache - Schwere Sprache“ aufzudecken. Professor Dr. Roland Kaehlbrandt schafft dazu beste Voraussetzungen. In seinem Bestseller Buch wird der Name zum Programm: eine Liebeserklärung an die Deutsch Sprache – die verteidigt er auch in der Diskussion und eröffnet einen Ausblick auf all die Vorzüge der deutschen Sprache. 5,3 Millionen Wörter gibt es im Deutschen. Diese Zahl weckt kaum Begeisterung für die deutsche Sprache. Doch der Sprachwissenschaftler kann nicht nur nüchterne Fakten benennen. Er weiß diese auch einzuordnen. Diese Millionen von deutschen Wörtern vergleicht er bildlich mit einem Lego-Set. Ein Baukasten, der dazu einlädt, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen. So ist es in der deutschen Sprache möglich, verschiedene Wörter aneinanderzusetzen. Schulkinder ohne Deutsch als Muttersprache, können damit einen weitaus einfacheren Zugang zur Sprachbeherrschung gewinnen. Das Wort Zahnarzt ist demnach ein Puzzle aus zwei Legosteinen, während in anderen Sprachen wie dem Englischen oder Französischen eine neue Vokabel notwendig ist. Doch damit nicht genug. Ein weiterer Vorzug: Das Deutsche ist elastisch im Satzbau. Durch die Betonung können inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Für Professor Doktor Kaehlbrandt ist klar: „Wir müssen den Angstfaktor vor der deutschen Sprache nehmen. Es ist eine großartige – eine reiche, elastische Sprache. Diese Sprache erlernen auch Einwanderer. Es ist ein Gewinn und Reichtum, in die deutsche Sprache einzuwandern.“

Sprache ermöglicht Teilhabe

Diese Begeisterung wirkt ansteckend. Denn Sprache ermöglicht vieles: Argumentieren, Diskutieren, Überzeugen. Eine wichtige Aufgabe in der Wissensgesellschaft, an der Kinder, Schülerinnen und Schüler teilhaben sollen. Prien betont: „Es geht um Teilhabe im umfassenden Sinn: Bildung, Beruf, Gesellschaft, Demokratie.“