Wie können wir Rentner oder Pensionäre als Fachkräfte am Arbeitsmarkt halten? Wie können wir Berufstätigkeit auch mit 67 noch attraktiv machen? Wie halten wir unser Land am Laufen, wenn bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte der Baby-Boomer-Jahrgänge in Rente gehen? Die CDU setzt auf eine ‚Aktiv-Rente‘ als einen wichtigen Baustein. Ihr Generalsekretär Carsten Linnemann präsentiert dazu in Berlin eine neue Idee und ein Konzept. „Es ist nicht nur irgendein Vorschlag“, so Linnemann. „Es ist ein umsetzbarer Vorschlag.“

Linnemann PK C4A0768 CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann stellt das Konzept vor. Neben ihm Karl-Josef Laumann und Gregor Kirchhof. (Foto: Benjamin Zibner)

Worum geht es bei der Aktiv-Rente?

Deutschland leidet unter Fachkräftemangel. Die Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger leiden unter Inflation, listet Linnemann auf. „Die Bundesregierung setzt allein auf Fachkräfte-Zuwanderung. Sie unterschätzt und vernachlässigt das inländische Potenzial.“ Zu viele Jüngere sind ohne Abschluss. Die Erwerbstätigkeit von Frauen muss gestärkt werden. „Und wir haben die Älteren“, weist Linnemann auf eine weitere Gruppe hin. Er bezeichnet sie als „Silver Worker“.

„Ich finde, dass wir das viel öfter machen sollten in Deutschland: Dinge einfach mal ausprobieren. Einfach mal machen.“ Carsten Linnemann

Letztere will Linnemann mit dem Konzept der Aktiv-Rente gewinnen. Wir haben eine Tradition des „von 100 auf null“, kritisiert er den abrupten Renteneinstieg in Deutschland. Doch viele Ältere würden gerne weiterarbeiten – wenn es sich rechnet. Die CDU will deshalb das Arbeiten im Rentenalter steuerfrei stellen – bis 2.000 Euro im Monat, schlägt Linnemann vor. Das sind maximal 24.000 Euro im Jahr.

Die CDU will auch ein Zeichen an die Gesellschaft senden: Leistung lohnt sich wieder. Ältere können Vorbilder für junge Arbeitskräfte sein. Ein besserer Wissenstransfer wird möglich. „Es werden am Ende alle gewinnen“, rechnet Linnemann vor: „Die Arbeitgeber, die sich über ihre Fachkraft freuen. Die Arbeitnehmer, die sich über ihre zusätzlichen Einkünfte freuen.“ Denn: Da bleibt richtig etwas übrig. „Das wird ein Aufbruch für Deutschland sein.“ Sein konkreter Vorschlag: „Lasst es uns mal zwei Jahre ausprobieren. Wenn es funktioniert, rollen wir das aus.“ Wenn nicht, wird es eingestampft.

Kirchhof: Anreize für ältere Arbeitnehmer schaffen

Gregor Kirchhof ist Professor für Finanzrecht in Augsburg. Der Jurist leitet als Direktor das Institut für Wirtschafts- und Steuerrecht. Er hat die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Vorschlags geprüft. „Das Steuerrecht muss vereinfacht werden“, erklärt er zur Vorstellung des Konzepts Aktiv-Rente. „Das Ganze ist ein Anreizsystem“, sagt er. „Es geht um Aktivität im Alter. Man versucht, den Übergang in das Alter harmonischer zu gestalten.“

Linnemann PK C4A0575 Professor Gregor Kirchhof erläutert das Konzept der Aktiv-Rente. (Foto: Bejamin Zibner)

Kirchhof geht es um Anreize für ältere Arbeitnehmer. Aber auch um die Wirtschaft allgemein. Und um den Fachkräftemangel. „Es geht insgesamt um eine lenkende Einkommensteuer-Regelung“, die mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Doch ist es gerecht, wenn der Arbeitnehmer mit 66 Jahren voll versteuert, der berufstätige Rentner mit 67 nicht mehr? „Ich kann das Störgefühl verstehen“, sagt Kirchhof. Dagegen steht: Ältere haben ihren Beitrag zur Finanzierung staatlicher Aufgaben über ihre Steuern schon geleistet. Die längere Arbeit ist als Verdienst ein Zusatz, der Staat verliert nichts.

„Dieser Vorschlag führt im Alter zu einer Vereinfachung des Steuerrechts. Ich bin überzeugt: Am Ende gewinnen alle.“ Gregor Kirchhof

Wer profitiert also von der Aktiv-Rente? Zunächst einmal alle, die eine Rente oder vergleichbare Altersbezüge erhalten und daneben arbeiten. „Ausgeschlossen werden die, die nicht aktiv werden“, erläutert er. Erträge aus Kapital – Mieten oder Zinsen – unterliegen weiter von Beginn an der Versteuerung.

Die Analyse ist noch kein Gesetzesvorschlag, bekennt Kirchhof. „Aber wir haben versucht, einen möglichst genauen Weg zu beschreiben.“ Dazu zählt, Risiken zu benennen und auszuräumen. Er ist überzeugt: Das Konzept könnte die Tür öffnen zu einer ganz großen Steuerreform.

Laumann: Wertschätzung für das Können älterer Menschen

Auch der CDU-Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann unterstützt den Vorstoß des Wirtschaftspolitikers Linnemann: „Wir müssen dazu kommen, dass die Menschen nicht so abrupt aus dem Arbeitsleben aussteigen.“ Der Sozial- und Gesundheitsminister aus NRW will, „dass wir steuerliche Anreize setzen, weil es Wertschätzung für ältere Menschen ist“. Arbeit gehört für viele Menschen dazu, weiß er. Manche möchten gerne weiter machen – „vielleicht weniger, aber drinnen bleiben.“

„Ich kann Sozialpolitik nicht mit dem Scheckbuch machen.“ Karl-Josef Laumann

Laumann will die längere Arbeit mit einem früheren Einstieg Jüngerer in das Berufsleben verknüpfen. „Wir haben auch ein Problem mit der dualen Ausbildung“, sagt er. Viele junge Leute wissen nach ihrem Schulabschluss nicht, was sie wollen. Das hat Folgen: Die Absolventen werden immer älter. Dem Arbeitsmarkt fehlen Fachkräfte an beiden Enden des Berufslebens: beim Einstieg und beim Ausstieg. Seine Folgerung: „Wir müssen die Berufsfindung unterstützen.“

Zur Idee Aktiv-Rente hat er noch eine wichtige Anregung: „Macht es nicht zu kompliziert, mit viel zu vielen Ausnahmen.“ Dann freue er sich darauf, „wenn wir das nach der nächsten Bundestagswahl -spätestens – umsetzen können.“