Zuletzt war es der Krieg wischen Armenien und Aserbeidschan. Der Krieg im Osten der Ukraine ist noch nicht beendet, die Krim weiterhin russisch besetzt. Die Türkei schickt Kämpfer in Nachbarländer und nach Libyen. China expandiert – politisch und wirtschaftlich. Die Welt ist in Unruhe und das hat Folgen: Die USA richten ihre Verteidigungspolitik nach Asien aus. Europa muss die eigene Verteidigung stärker als bisher selbst organisieren und mehr Verantwortung in der Welt übernehmen.

„Vor unseren Augen verändert sich die strategische Gesamtlage, verdichtet sich und wird klar erkennbar“

fasste die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer diese Gemengelage zusammen. An der Bundeswehrhochschule in Hamburg betonte sie in einer außenpolitischen Grundsatzrede: „Jetzt können wir Europäer zeigen, dass wir und wie wir diese Chance nutzen wollen.“

Systemwettbewerb annehmen

„Einige Staaten stellen dem westlichen Modell der offenen Gesellschaft, der Demokratie und des Rechtsstaats ein anderes Modell entgegen, das mit unseren Werten in keiner Weise vereinbar ist“, stellte die Verteidigungsministerin fest. „Autoritäre Systeme sind wirtschaftlich, gesellschaftlich und militärisch auf Expansionskurs und arbeiten mit Nachdruck daran, Völkerrecht umzuschreiben und zu entstellen.“

Die Angriffe erfolgten territorial und über das Internet. Die Angreifer zeigen sich auf allen Feldern hochgerüstet und angriffslustig. „Dreißig Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs müssen wir uns eingestehen: Das Ende des Kalten Krieges war nicht das Ende der Geschichte. Der Frieden ist nicht überall ausgebrochen. Unsere Sicherheit, unser Wohlstand, unser friedliches Zusammenleben werden ganz real bedroht.“

Mehr Verantwortung übernehmen

Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist es „gut, dass es heute über die politischen Lager hinweg einen Konsens für ‚mehr Verantwortung‘ Deutschlands und Europas gibt.“ Diese Verantwortung erfordere Realitätssinn und den Umgang mit unbequemen Wahrheiten. Nur so könne man „in Deutschland vom Konsens über mehr Verantwortung zu einem Konsens des konkreten Handelns kommen“.

Flagge zeigen für unsere Werte, Interessen und PartnerFoto: CDU / Laurence Chaperon

Kramp-Karrenbauer betonte: „Wir brauchen eine gut abgestimmte Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Handels- und Entwicklungspolitik, wenn wir als Deutschland und Europa künftig besser weltpolitikfähig werden wollen und wenn aus unseren Fähigkeiten eine wirksame Verteidigungsdiplomatie erwachsen soll.“ Sie wirbt eindringlich für eine „stärkere verteidigungs- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit“, auch mit den Staaten Ostasiens.

Leistung der USA anerkennen

Der Schutz Deutschlands und Europas wird derzeit vor allem durch die USA gewährleistet, so Kramp-Karrenbauer. Sie stellen 75 Prozent der NATO Einsatzkraft – Soldaten und Waffensysteme. Rund 76 000 US-Soldatinnen und Soldaten dienen in Europa. 70 Prozent der strategischen Aufklärung, Hubschrauber, Luftbetankung und Satellitenkommunikation übernehmen die USA. „Nahezu 100 Prozent der Abwehrfähigkeiten gegen ballistische Raketen werden von den USA in die NATO eingebracht.“

Die Verteidigungsministerin erwartet: Europa muss den USA als „starker Partner auf Augenhöhe“ begegnen. Man kann auch in Zukunft nicht nur auf die EU zu setzen. „Wir werden den stärksten und größten Partner im Bündnis weiter dringend brauchen.“ Je mehr die EU selbst leiste, desto mehr werde man die USA „in der Allianz halten“.

Verteidigungs-New-Deal

„Ich halte es für wichtig, dass wir Europäer der kommenden Biden-Administration daher ein gemeinsames Angebot, einen New Deal, vorlegen“, forderte Kramp-Karrenbauer.

Drei Eckpunkte sollen dabei vorrangig sein:

  • mehr Geld für Verteidigung, eigene Fähigkeiten damit ausbauen
  • klares Bekenntnis zur NATO
  • gemeinsame Agenda EU/USA mit Blick auf China und dessen Interessenlage

Dazu wurden unter der EU-Ratspräsidentschaft wichtige Punkte vorangebracht:

  • ein Strategischer Kompass für eine klare sicherheitspolitische Ausrichtung
  • Ausbau der Zusammenarbeit im Sanitätsdienst
  • Anbindung nicht-europäischer Partner
  • angemessene Ausrüstung von Partnerstreitkräften, die durch die EU ausgebildet werden

Deutschland stärken heißt Europa stärken, heißt die NATO stärken

„Wir müssen europäischer werden, um transatlantisch zu bleiben“, so Kramp-Karrenbauer. Viel sei schon geleistet worden, „in der Einsatzbereitschaft, der Landes- und Bündnisverteidigung, im Auslandseinsatz, im personellen Aufwuchs, in der Beschaffung von Ausrüstung“.

Die Verteidigungsministerin sieht den weiteren Ausbau als „gesamtpolitische Aufgabe“, parteiübergreifend. „Ich kann mir gut vorstellen, ein Verteidigungsplanungsgesetz zu verabschieden, das die Finanzierung unserer Sicherheit überjährig und langfristig festschreibt.“ Deutschland würde damit dem Beispiel anderer Staaten folgen.

Kramp-Karrenbauer erwartet höhere Verteidigungsausgaben, um den Bündnispflichten gerecht zu werden. Interne Verschiebungen im Etat helfen nicht, so die Ministerin. Sie betont ausdrücklich: „Ich werde einer Finanzierung von Großprojekten zu Lasten der Grundausstattung und der Mittel des täglichen Betriebs nicht zustimmen.“ Klar sei: Man darf nicht an der Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sparen.

Appell und Dank an die Studentinnen und Studenten

An den Offiziersnachwuchs gewandt forderte die Verteidigungsministerin: „Wir müssen gemeinsam in die Welt hinausblicken, statt nur auf uns selbst. Mein Anspruch ist es - unser Anspruch muss es sein - dass Deutschland und Europa die eigene Nachbarschaft und die globale Ordnung aktiv mitgestalten.“

Mit Blick auf den aktuellen Corona-Einsatz in zahlreichen Gesundheitsämtern stellte Kramp-Karrenbauer auch klar: „Die Soldatinnen und Soldaten sind da für unser Land, und die Bürgerinnen und Bürger nehmen das wahr. Die Männer und Frauen in Uniform gehören auch als Staatsbürger zu dieser Gesellschaft, als Nachbarn und als Mitmenschen.“