Wie geht es weiter im Konflikt in der Ukraine? Welche Lehren müssen Deutschland und Europa schon jetzt daraus ziehen? Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ verurteilt Friedrich Merz das aggressive russische Verhalten. Noch gebe es keine ausreichenden Zeichen der Entspannung. Der CDU-Chef macht klar: Zukünftig muss Europa viel stärker „zur Lösung solcher Konflikte in Erscheinung treten können“. Denn der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist „kein Konflikt zwischen Russland und der NATO, sondern ein Konflikt zwischen zwei großen europäischen Ländern außerhalb der NATO.“ Deutschland sieht der CDU-Chef in besonderer Verantwortung, Russland perspektivisch wieder in das Gespräch mit dem gesamten Westen zu bringen.

Dauerhafter Frieden braucht eine klare Haltung

Merz weist eindrücklich darauf hin, dass jegliche Zusagen der NATO gegenüber Russland eingehalten wurden. So „hat es nie eine Zusage gegeben, die osteuropäischen Staaten nicht in die NATO aufzunehmen. Die einzige Zusage, die Russland gegeben wurde, war, in Osteuropa dauerhaft keine Großverbände der NATO zu stationieren. Und diese Zusage wird bis heute eingehalten.“

Russland sei als Autokratie aktuell ein „Systemgegner“ der Demokratien in Europa, so Merz. Dennoch könne es ohne Russland keine dauerhafte Friedensordnung in Europa geben: „Russland ist ein europäisches Land. Und deshalb sollten wir mit Russland eines Tages auch wieder über gemeinsame europäische Politik sprechen.“ Merz macht klar: Dazu gebe es geltende Verträge, auf die man sich berufen kann.

„Europa braucht eine eigene Außen- und Sicherheitspolitik, die auch ohne die unmittelbare Beteiligung der NATO handlungsfähig ist.“ Friedrich Merz

Merz hält es auch im Nachgang für falsch, dass man vor 20 Jahren auf Angebote der engeren Zusammenarbeit mit Russland kaum reagiert habe. „Aber heute bedrohen Putin und sein Machtsystem nicht nur die Reste der Demokratie in Russland, er bedroht ganz Osteuropa.“ Dem kann der Westen nur mit Abschreckung begegnen. Merz: „Autoritäre Führer wie Putin wissen, dass sie nur im Amt, physisch und im Wortsinn, überleben können. Deshalb bleibt für den Westen Abschreckung bis hin zur militärischen Verteidigungsfähigkeit bis auf weiteres die einzige Option, die Frieden und Freiheit wenigstens in unserem Teil der Welt garantieren.“

Deutschland muss seiner Verantwortung gerecht werden

Neben Abschreckung braucht es aber parallel Schritte in Richtung Einbeziehung Russlands. Hier sieht CDU-Chef Merz Deutschland in besonderer Verantwortung: Deutschland hat derzeit die G7-Präsidentschaft inne – die G7 könnte laut Merz ein Format sein, um Russland „perspektivisch wieder in das Gespräch mit dem ganzen Westen zu bringen“. Aber auch hier fehlt es in der Ampel-Regierung bisher wie bei vielen anderen Themen an Führung durch den Kanzler: „Wir vermissen bisher jede Kontur für diese Präsidentschaft. Auch zur deutschen G7-Präsidentschaft bleibt bei der Bundesregierung vieles im Unklaren, der Bundeskanzler hat auch dazu bisher nichts gesagt. Stattdessen gab es im Bundestag nur eine kurze Rede einer Staatssekretärin und der Kanzler saß schweigend auf der Regierungsbank.“

Klarheit müsse die Scholz-Regierung auch in Sachen Verteidigungspolitik schaffen. Merz fordert: „Die Verteidigungsministerin sollte innerhalb des laufenden Jahres die verteidigungspolitischen Grundsätze dieser Bundesregierung vorstellen. Was derzeit davon zu sehen ist, genügt diesem Anspruch nicht.“ Es sei kein Zufall, dass in der ersten Regierungserklärung des Kanzlers die Worte „Bündnisverteidigung“ und „Bundeswehr“ nicht vorkamen, so Merz. Der CDU-Vorsitzende kritisiert auch, dass Deutschland unter Finanzminister Lindner weiter nicht bereit ist, das Zwei-Prozent-Ziel bis 2024 zu erreichen: „Das wird von unseren Verbündeten – und zwar nicht nur von den Amerikanern – äußerst kritisch gesehen. Denn das heißt im Klartext: Deutschland erfüllt seine internationalen Verpflichtungen nicht.“

Das gesamte Interview mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz finden Sie in der WamS hinter der Bezahlschranke.