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Paul Ziemiak: SPD und Grüne spielen der AfD in die Hände
SPD und Grüne wollen den Koalitionsvertrag in Sachsen-Anhalt brechen. Darin hatten sie Stabilität beim Rundfunkbeitrag vereinbart. Den Streit über eine Sachfrage überlassen sie der Deutungshoheit von Antidemokraten. Ein Gastbeitrag von Generalsekretär Paul Ziemiak in der FAZ.
Streitkultur ist der Sauerstoff des Demokratischen. Demokratie braucht den Streit in der demokratischen Mitte. Sloterdijk definiert den Streit um die beste Lösung für das Gemeinwohl als wesentlichen Kern der Demokratie. Streit soll hart in der Sache sein, aber er muss redlich sein. Streit soll parteipolitisches Profil schärfen, aber darf nicht allein der Logik parteipolitischer Egoismen folgen. Der demokratische Streit darf nicht den Rändern überlassen werden.
Einen harten politischen Streit erleben wir gegenwärtig in der Auseinandersetzung um die Ratifizierung des Medienstaatsvertrages durch den Landtag in Sachsen-Anhalt. SPD und Grüne wollen den Koalitionsvertrag brechen, den sie am 24. April 2016 unterschrieben und von ihren Landesparteitagen zuvor abstimmen ließen. Darin hatten sie übereinstimmend Beitragsstabilität vereinbart. Dennoch haben sie eine nüchterne Sachfrage zur moralisch aufgeladenen Grundsatzfrage erhoben – schlimmer noch: Sie haben einen Streit in der demokratischen Mitte der Deutungshoheit von Populisten und Antidemokraten überlassen. Das Ziel ist eindeutig: Es geht ihnen um nichts anderes als die Infragestellung der Glaubwürdigkeit der Union im Umgang mit der AfD.
Es ist gefährlich, ausgerechnet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Bühne für diesen parteipolitisch durchsichtigen Versuch zu missbrauchen. Dafür ist er viel zu bedeutend. Der Streit über die Höhe des Rundfunkbeitrages gehört in die Mitte des demokratischen Ringens. Wer einen solchen Streit aus taktischen Gründen zum vermeintlichen Lackmustest für unsere Demokratie macht, handelt staatspolitisch unverantwortlich. Wer so agiert, spielt der AfD in die Hände.
Letzteres kann nicht im Sinne der Sozialdemokratie und der Grünen sein, und ich bin sicher, dass es das auch nicht ist. Das Verhalten einiger führender Sozialdemokraten und Grünen verlangt eine grundsätzliche Debatte über die Art und Weise, wie wir in unserem Land demokratisch streiten.
Damit es ganz klar ist: Vor gut einem Jahr habe ich für meine Partei die Haltung gegenüber der AfD unmissverständlich markiert. Die AfD steht am Rand unserer Verfassungsordnung. Sie ist die Anti-Deutschland-Partei. Sie ist die neue politische Heimat vieler Neonazis. Sie steht für rückwärtsgewandte und spalterische Politik. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wäre Verrat an unseren christdemokratischen Werten. An dieser Haltung hat sich nichts geändert.
Genauso steht für meine Partei außer Frage, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Grundpfeiler unserer Demokratie ist. Er ist systemrelevant! Wir wollen und wir brauchen ein breites Angebot öffentlich-rechtlicher Medien. Ja, es ist meine persönliche und die Mehrheitsmeinung in der CDU, dass die angemessene Erhöhung des Rundfunkbeitrages richtig ist. Das kann in der Konsequenz aber nicht heißen, dass in einer starken Volkspartei der Mitte nicht auch andere Meinungen eine Heimat hätten. Die Entscheidung obliegt auch nicht dem Deutschen Bundestag oder den Bundesspitzen der Parteien. Darüber entscheiden letztlich jeweils die Abgeordneten in den 16 Landtagen.
Wenn SPD und Grüne in Sachsen-Anhalt nun auf Anweisungen ihrer jeweiligen Bundesspitze den eigenen Koalitionsvertrag brechen sollen, in welchem sie selbst ausdrücklich Beitragsstabilität und keine Erhöhung vereinbart haben, um über die Frage der Höhe des Rundfunkbeitrages zu versuchen, die demokratische Integrität der gesamten Union zu untergraben, ist das infam. Offenkundig sind Teilen der Sozialdemokratie und der Grünen vermeintliche, kurzfristige parteipolitische Geländegewinne wichtiger als ihre staatspolitische Verantwortung.
Im Übrigen manifestierte die CDU in Sachsen-Anhalt ihre Position schon, bevor es die AfD dort überhaupt gab. In dieser Woche hat ein Journalist klug zusammengefasst: „Wer aus Furcht eigene Überzeugungen aufgibt, verleiht der AfD nur noch mehr Macht: die Macht, Themen zu kapern und Debatten zu lähmen.“ In der Logik von SPD und Grünen dürfte keine Partei mehr ein Thema vertreten, welches auch die AfD vertritt. Wäre dies so, so könnten im Bundestag die Grünen nie gegen die Union stimmen, wenn die AfD auch gegen CDU und CSU votiert. Im Bundestag haben die Grünen in zahlreichen Fällen gemeinsam mit der AfD gegen Vorschläge der Koalition gestimmt. Folgender Grundsatz muss doch klar sein: Wenn ein Rechtsextremist eine einzelne Position eines Demokraten übernimmt, wird aus dem Extremisten kein Demokrat und umgekehrt aus einem Demokraten kein Extremist.
Meine Mahnung an alle Demokraten ist deshalb, dass wir uns von der AfD nicht auseinanderdividieren lassen dürfen. Die AfD hätte ihr Ziel erreicht: die Sabotage der parlamentarischen Demokratie. Lasst uns deshalb den Wettstreit um Sachfragen in die demokratische Mitte zurückholen. Wer solche Sachfragen aus rein taktischen Gründen den Antidemokraten überlässt, der darf sich nicht wundern, wenn solche Debatten künftig von Populisten dominiert werden. Es geht jetzt um Verantwortung und die Stabilität der Koalition. Unter anderem mit dem Angebot, den Staatsvertrag zurückzuziehen, hat Reiner Haseloff einen Kompromissvorschlag vorgelegt, um die Koalition zu stabilisieren.
Jetzt liegt die Entscheidung bei SPD und Grünen. Wofür werden sich die beiden Parteien entscheiden? Für staatspolitische Verantwortung und damit für den Fortbestand der Kenia-Koalition oder für eine durchsichtige parteipolitische Taktik? Letzteres wäre brandgefährlich – nicht nur für Sachsen-Anhalt.
* es handelt sich um einen FAZ-Plus-Beitrag