Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat seine Pläne für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt.

„Es geht darum, dass wir am Ende mehr Europa haben und nicht weniger Europa.“ Mit diesen Worten fasst Wirtschaftsminister Peter Altmaier seine Pläne für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zusammen. Die Ausgangslage sei schwierig: „Wir haben die größte wirtschaftliche Krise, die wie je erlebt haben. Niemand von uns weiß, wie die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten genau verlaufen wird.“ Jetzt gehe es darum, „möglichst schnelle Hilfe verfügbar zu machen.“ Europa muss die Rezession erfolgreich und möglichst schnell überwinden. Gleichzeitig müssen neue Grundsteine für ein erfolgreiches Europa gelegt werden.

Altmaier beschrieb im Bereich der Wirtschaft ein schwieriges Umfeld für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Drei Aspekte stehen im Focus: die Corona-Pandemie, der Brexit und eine weltweite Verschärfung der Verteilungskonflikte sowie des Wettbewerbs. Altmaier mahnte: „Durch die Pandemie werden die Karten neu gemischt.“ Vor allem kleinere Staaten und Unternehmen hätten hart zu kämpfen. Größere Staaten und Unternehmen würden dies nutzen. Europa müsse daher eng zusammenstehen.

Fünf Punkte stehen im Mittelpunkt der Ziele für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020. Dazu zählen:

1. Den Wirtschaftsstandort Europa nach der Corona-Pandemie nachhaltig stärken.

Es braucht eine gemeinsame europäische Industrie-Strategie, stellt der deutsche Wirtschaftsminister fest. „Wir müssen bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen für unsere kleineren und mittleren Unternehmen.“ Dazu brauche es einheitliche Regeln im Binnenmarkt. Man muss vermeiden, dass man mitten in der Wirtschaftskrise neue Belastungen schafft.“ Man brauche Lösungen, „die zusammenführen und nicht spalten“.

2. Offene Märkte erhalten und faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.

Derzeit gebe es viel Protektionismus und Handelsschranken, stellte Altmaier fest. Er forderte von Europa: „Wir müssen offene Märkte erhalten und faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.“ Gleichzeitig gelte: „Wir wollen die Globalisierung nicht zurückdrehen, aber wir wollen negative Folgen mildern.“ Dazu sei es nötig, dass auch die Welthandelsorganisation WTO reformiert und gestärkt werde.

3. Mehr digitale Souveränität für die EU.

Gerade in wichtigen Zukunftsbereichen sei die EU in bestimmten Bereichen noch nicht an der Weltspitze. Das gelte in vielen Bereichen von Digitalisierung über Vernetzung bis hin zu künstlicher Intelligenz. Hier habe man erst begonnen, aufzuholen, zum Beispiel mit dem Projekt Gaia X. Mit diesem Projekt soll für Europa eine sichere, leistungs- und wettbewerbsfähige Dateninfrastruktur aufgebaut werden, die Europa unabhängig machen soll von äußeren Anbietern, z. B. aus USA oder China. Es sei ganz wichtig, dass Europa bei Datenspeicherung und Datensicherung eigene Angebote machen könne, die konkurrenzfähig sind und eigene Standards setzen und durchsetzen können. Mit Blick auf Konkurrenz von online-Shopping und Einkaufsmärkten betont Altmaier: Man müsse durch Digitalisierung „auch den realen Kundenverkehr verbessern“.

„Wir wollen die Digitalisierung nutzen, um Wachstum nach der Krise anzustoßen“, betonte Altmaier. „Wir müssen einen Aufschwung zustande bringen.“ Es gehe um Arbeitsplätze, Ausbildung, Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. Die Situation sei schon vor Corona nicht überall gut gewesen. Und es sei nicht sicher, dass Arbeitsplätze, die in Europa mit Corona verschwinden, in Europa auch wieder entstehen.

4. Den Strukturwandel gestalten.

Europa müsse den Weg von der Theorie in die Praxis schneller schaffen. Gute Ideen müssen schneller zu guten Produkten werden. Die Umsetzung von in Europa entwickelten Technologien in Produkte dürfe nicht länger abwandern.

„Wir wollen Experimentierklauseln und Reallabore.“ Mit der deutschen Ratspräsidentschaft soll Europa auf Zukunftsbereiche setzen – dort, wo Europa schon stark ist, und dort, wo Europa stark werden muss. Hierzu zählten vor allem die Bereiche Biotechnologie, Künstliche Intelligenz oder Digitalisierung.

„Wir brauchen Bürokratie-Abbau“, so Altmaier – in ganz Europa. Das deutsche Modell One-in/One-out habe sich bewährt: Kommt eine neue Regel, fällt eine andere. „Es gab keinen nennenswerten Arbeitsplatzverluste, aber großen Erleichterungen für viele Unternehmen.“

Man könne nicht alles mit Geld lösen, betonte Altmaier. Man brauche Anpassungen. Dabei gelte: „Wir wollen Sozialpolitik nicht gleichmachen, aber harmonisieren.“ Die Zivilgesellschaft will Altmaier dabei aktiv einbinden.

5. Die Chancen des Europäischen Grünen Deals nutzen.

„Wir wollen unsere wirtschaftspolitischen Ziele unter Beachtung unserer Klimaschutzziele erreichen“, erläuterte Altmaier. „Wir haben uns entschieden, einen europäischen Weg zu gehen. Dieser Weg ist der Green Deal.“ Mit ihm könne man gewährleisten, dass Klimaneutralität bis 2050 gelingen kann. „Dazu brauchen wir die Green Economy“. Europäische Unternehmen müssten jetzt beweisen, dass sie Wirtschaft und Kilmaschutz vereinbaren können. Gleichzeitig gelte: „Wenn wir wollen, dass Klimaschutz gelingt, dann müssen wir Carbon Leakeage verhindern.“ Das passiere dann, wenn saubere Firmen in Europa durch dreckige Firmen anderswo ersetzt werden.

Deutschland setze auf grünen Wasserstoff. „Hier brauchen wir sehr schnell konkrete Projekte“, in ganz Europa. Mit Blick auf Klima- und Umweltschutz sagte Altmaier: Es gehe um den Industriestandort Europa insgesamt. Man brauche eine klimaverträgliche Großindustrie. „Ohne industrielle Basis wird es sehr schwer werden, den Wohlstand in Europa zu erhalten und auszubauen.“ Beispielhaft hierfür ist das gestern vorgestellte Handlungskonzept für die Stahlindustrie, die eine Stärkung der Industrie bei gleichzeitigem Wandel hin zu CO2-freier Stahlproduktion vorsieht.