Alles anders beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos. Statt eines Stelldicheins der Staatenlenker und Wirtschaftsgrößen in der kleinen schweizerischen Gemeinde Davos kommen alle Teilnehmer nur virtuell zusammen, um über aktuelle globale Fragen zu diskutieren. So auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für ihre Rede aus Berlin zugeschaltet ist. Ihre wichtigste Botschaft in dieser von der Corona geprägten Zeit: Die Jahrhundert-Pandemie habe „unsere Verwundbarkeit und nicht vorhandene Widerstandsfähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft“ gezeigt. Deshalb gelte jetzt für Deutschland und die Weltgemeinschaft: Mehr Entschiedenheit und Tempo beim Handeln.

Corona hat Stärken gezeigt – und Schwächen schonungslos aufgedeckt

Die Bundeskanzlerin nutzte ihre Rede, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen über die Lehren aus Corona. In der Pandemie seien in Deutschland und weltweit Schwächen schonungslos aufgedeckt worden, aber auch Stärken wurden sichtbar. Merkel nannte den Gemeinsinn, den Föderalismus, die soliden Staatsfinanzen und die hohen Forschungsausgaben in Deutschland als Stärken. „Wir konnten auf eines sehr bauen: Das ist der Gemeinsinn, der Einsatz von Menschen, der Bürgerinnen und Bürger. Das ist unser stärkster Schatz!”, so die Kanzlerin.

Unser Land müsse allerdings bei der Umsetzung von Politik schneller und unbürokratischer werden. Internationale Lieferketten müssten besser abgesichert und damit verlässlicher werden. In ihrer kritischen Bilanz verwies die Bundeskanzlerin zudem auf die Digitalisierung in Deutschland, die während der Pandemie deutliche Schwächen aufgezeigt habe.: „Wo wir nicht gut aussahen, das zeigt sich bis auf den heutigen Tag, das ist der Mangel an Digitalisierung in unserer Gesellschaft.“

Merkel: Pandemie ist „die Stunde des Multilateralismus“

Global mache die Pandemie noch einmal deutlich, dass es „kein Zurückfallen in nationalen Protektionismus geben dürfe. Vielmehr sei für sie jetzt „noch klarer, dass wir einen multilateralen Ansatz wählen müssen.“ Die Bundeskanzlerin rief zu mehr „globaler Verbundenheit“ und Zusammenarbeit auf. Dies gelte insbesondere bei der weltweiten Verteilung des Impfstoffes gegen das Coronavirus. Deutschland und Europa unterstützen die COVAX-Initiative. Nun würden die ersten Verträge zugunsten finanzschwacher Länder abgeschlossen. Merkel nannte die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika, die Arbeitsfähigkeit der Welthandelsorganisation WTO, das EU-Investitionsabkommen mit China und die Regulierung der Digitalunternehmen als weitere Felder der laufenden und weiter auszubauenden Zusammenarbeit.

Entwicklungszusammenarbeit ausbauen

Das Überspringen des Coronavirus vom Tier auf den Menschen habe unsere globale Verwundbarkeit deutlich werden lassen. Daher verdienten internationale Abkommen wie z.B. zum Schutz der Biodiversität und des Klimaschutzes unsere entschiedene Unterstützung. Deutschland und Europa seien mit ihren Plänen z. B. zum Kohleausstieg, zur CO2-Reduzierung, zum Green Deal und dem EU-Aufbauplan gut unterwegs. Die Weltgemeinschaft hinke allerdings dem Zeitplan bei der Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele 2030 hinterher. Die Coronakrise verschlechtere sogar die Situation. In den nächsten Jahren müssten die entwickelten Staaten die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit weiter erhöhen.

Merkel: Jetzt ist die Zeit des Handelns – auch wieder mit den USA

Die Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Weltgesundheitsabkommen und zum Klimaschutzabkommen seien für die multilaterale Zusammenarbeit zu begrüßen. Die Bundeskanzlerin schließt mit einem Zitat von Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Reden und Diskutieren sei wichtig, aber insbesondere die Pandemie habe uns vor Augen geführt, dass nun die Zeit zum Handeln käme, um die Schwachstellen, die wir haben, möglichst schnell zu überwinden.