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Interview von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit der Jewish Voice from Germany (v. 01.07.2018)
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin mit den JVG-Redakteuren Elisabeth Neu und Rafael Seligmann
Wir sind Zeugen eines Umbruchs der Weltordnung, die den internationalen Beziehungen ein Mindestmaß an Stabilität verliehen hatte. Wie wird die Reaktion der CDU und der Bundesregierung sein?
Außenpolitisch gesehen ist die Tatsache, dass wir es mit einem amerikanischen Präsidenten zu tun haben, der, wie in seinem Wahlkampf angekündigt, die nationalen Interessen seines Landes durchsetzt und das auch außerhalb der bislang gekannten Vereinbarungen, eine klare Aufforderung an uns, unsere Interessen sehr deutlich und in der Sache hart zu vertreten. Dort, wo wir erkennbar Schwachstellen haben, auch in der Argumentation, müssen wir diese beseitigen. Zudem wird deutlich, dass wir dann stärker sind, wenn wir unsere Antwort als Europa geschlossen geben. Daher müssen wir an der Einigkeit Europas arbeiten. Nach innen wiederum müssen wir dafür sorgen, dass trotz dieser Töne aus dem Weißen Haus der Anti-Amerikanismus nicht wächst. Wir müssen deutlich machen, dass wir nach wie vor zu dieser transatlantischen Freundschaft stehen und dass diese tiefer und vielfältiger ist, als dass sie durch das Agieren eines Präsidenten in Frage gestellt oder aufgelöst werden könnte.
Wie bereitet man die deutsche Gesellschaft darauf vor, dass Verteidigungsausgaben erhöht werden, Milliardenbeträge, die woanders dann fehlen?
Zuerst müssen wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass es die klassische Trennung zwischen Außenpolitik in all den bekannten Facetten und Innenpolitik, so es diese Trennung jemals gegeben hat, in der heutigen Zeit jedenfalls nicht mehr gibt. Alles, was um uns passiert, Beispiel: Syrien, hat unmittelbare Auswirkungen auf Europa und auch auf uns. Der zweite Punkt ist, dass wir ein Stück weit an ein Ende kommen mit der außenpolitischen Zurückhaltung Deutschlands, auch, was das Thema Anstrengungen in der Verteidigungs- und Bündnispolitik anbelangt. Hier erwarten unsere Partner zu Recht, dass wir mehr Verantwortung übernehmen. Und mehr Verantwortung in diesem Bereich heißt ganz konkret, dass wir auch mehr Geld dafür ausgeben. Das muss man sehr offen sagen. Dass dies eine schwierige Debatte wird, zeichnet sich bereits ab – das böse Wort Aufrüstung steht schon wieder im Raum... Sind wir in der Lage und willens, die europäische Säule in der NATO zu stärken? Dies wiederum bringt die Frage mit sich, wie wir unserseits das transatlantische Verhältnis stärken und damit die offene Flanke, die wir in den Diskussionen mit der amerikanischen Administration haben, auch ganz aktiv schließen.
Das ist keineswegs nur ein deutsches, sondern ein globales Phänomen: Philippinen, USA, Russland, Ungarn ... Was setzt eine demokratische Volkspartei wie die CDU dagegen?
Für eine der Verantwortungsethik verhaftete Politik und eine entsprechend agierende Partei ist der Populismus die größte Herausforderung. Er findet sich von rechts und links, am schwierigsten dort, wo sich rechte und linke Forderungen in einem Programm treffen. Aus meiner Sicht steckt dahinter das Aufgreifen einer Sehnsucht, die die Menschen schon immer hegten, die aber in einer Welt, die komplizierter und unübersichtlicher geworden ist, stärker wird: Die Sehnsucht nach vermeintlich einfachen Lösungen, nach Schwarz und Weiß und vor allem nach Sündenböcken, die man verantwortlich machen kann für all das, was im eigenen Leben aber auch darüber hinaus schwierig läuft. Dagegen verantwortliche Politik zu setzen, dagegen Fakten zu setzen, ist schwer, weil ja sehr viel aus dem Gefühl heraus argumentiert wird und dieses Gefühl auch die eigene erlebte Realität ist.
Was meinen Sie damit genau?
Wir können den Menschen nicht sagen, das ist nur ein Gefühl für Euch, denn für diese Menschen ist dieses Gefühl Realität und insofern müssen wir uns damit eben als Realität auseinandersetzen. Im Moment haben wir in Deutschland auch eine heftige Diskussion über die Frage, ob der Staat die Ordnung in diesem Land noch gewährleisten kann. Das wird an vielen Punkten festgemacht: Am gesamten Thema Asyl und Migration, aber auch an Tatsachen, dass jemand festgenommen wird und tags darauf wieder auf freiem Fuß ist... Dahinter verbirgt sich ein Gefühl, dass der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Regeln, die er selbst gesetzt hat, umzusetzen, und das erzeugt ein tiefes Gefühl der Verunsicherung. Dagegen vorzugehen ist eine langfristige Aufgabe. Da hilft nur die Überzeugung durch eine entsprechende konsequente Politik, durch entsprechendes Handeln.
Die AfD kam bei der Bundestagswahl in Sachsen auf 27%... Haben wir noch genug Zeit, diesen einfachen, schnellen und radikalen Parolen zu begegnen?
Man muss diese Auseinandersetzung, diesen Kampf jeden Tag führen. Man muss ihn führen, indem man den Beweis antritt, dass das, was von den Populisten behauptet wird, nicht wahr ist. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Innenministerin kann ich sagen, sie gewinnen Vertrauen in die innere Sicherheit nicht dadurch, dass sie politische Diskussionen und Forderungen in einem immer schrilleren Ton stellen, sondern sie gewinnen Vertrauen dadurch, dass das, was die Menschen als Problem wahrnehmen, gar nicht erst auftaucht oder eben wo nötig gelöst wird. Den Beweis dafür müssen wir antreten. In der politischen Auseinandersetzung müssen wir ganz klar und eindeutig sein, das heißt für mich, gerade auch mit Blick auf die AfD, dass wir als CDU immer wieder darauf hinweisen, was die AfD eben alles ist, welche Elemente sie beherbergt, welche sie duldet oder sogar eher aktiv fördert. Etwa radikale Elemente am rechten Rand, die antisemitisch sind, die geschichtsrevisionistisch sind, die rassistisch sind. Wir müssen allen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Sympathien für diese Partei hegen, deutlich machen, das kauft ihr euch damit ein, seid ihr euch dessen bewusst und wollt ihr das auch? Es darf nie mehr dazu kommen, dass jemand sagt, das habe ich nicht gewusst, dass die AfD auch so ist...
Bei den Al Quds-Demonstrationen 2014 wurde „Juden ins Gas“ gerufen – es gab keine einzige Anzeige... Wo bleibt da die Betonung durch die CDU, durch die Volksparteien: Das nehmen wir nicht hin?
Mit Blick auf unsere historische Verantwortung darf keine Relativierung betrieben werden. Deshalb setzen wir als CDU ein klares Zeichen mit der Aktion „Von Schabbat zu Schabbat“, die aus meiner Sicht einen sehr guten Start hatte und von der ich mir wünsche, dass wir sie als festen Bestandteil unserer Parteiarbeit in jedem Jahr wiederholen. Gemeinsam mit der CSU wollen wir das Jüdische Forum in der Union gründen, das sich mit dem Kampf gegen Antisemitismus beschäftigt, aber eben auch aufzeigt, wie selbstverständlich jüdisches Leben heute in Deutschland wieder stattfi ndet, und hilft, auch dafür einen Blick zu entwickeln und dafür zu werben. Wir wollen dafür sorgen, dass so etwas wie 2014 nicht mehr passiert, sondern dass wir ein Bewusstsein schaff en, wo dann selbstverständlich auch die entsprechenden Anzeigen erstattet werden und Straftaten auch nachgegangen wird.
Mit der fundamental-islamistischen Bedrohung, die hierzulande nach 2015 deutlich wurde, besann man sich plötzlich der christlich-jüdischen Tradition dieses Landes, die ja tatsächlich seit 1700 Jahren existiert…
Durch die Menschen, die seit 2015 in unser Land gekommen sind, aber auch schon vorher, ist ja auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich geworden, dass es sich um Menschen handelt, die aus einem ganz anderen kulturellen, traditionellen Hintergrund und Glauben kommen. Die zum Teil auch mit einem radikalen Hintergrund herkamen. Das zwingt zur Reflexion: Wie in einem Spiegel, wo man die anderen sieht, aber eben auch sich selbst. Frage: Wenn die so sind, wie sind wir eigentlich? Das löst einen Prozess der Selbstvergewisserung aus. Wenn wir zusammen leben und über Integration reden, können wir zu Recht aus meiner Sicht auch verlangen, dass Menschen, die zu uns kommen, unsere Regeln und Werte akzeptieren. Das allerdings setzt voraus, dass wir selbst wissen, was unsere Regeln und unsere Werte sind. Wir haben eine Situation im Moment, die die Gesellschaft aufwühlt, in der aber auch eine Chance steckt, sich über vieles noch einmal bewusst zu werden. Und dass die Rückbesinnung auf vermeintlich eigene Traditionen und Werte eben nicht nur dann und nicht nur in der Funktion als Abwehr gegen andere geschieht. Nein, es muss vielmehr eine Selbstvergewisserung aus eigener Stärke sein.
Die Kirchen und Synagogen werden immer leerer, die Moscheen immer voller ... wir verlieren Gott und damit auch viele Werte. Wie kann eine Partei, die das „C“ im Namen hat, den Glauben wieder „in“ machen?
Das ist für uns eine wirklich wichtige Frage. In meiner Kindheit ging man zur Kirche, weil das einfach so war, man dachte nicht groß darüber nach. Heute engagieren sich weniger Menschen in der Kirche, weniger Menschen besuchen die Gottesdienste. Doch die Jüngeren, die dies heute tun, tun es sehr viel bewusster. Sie haben sich ganz bewusst für das kirchliche Engagement entschieden und darin steckt auch eine Chance. Das verändert Kirche. Wir müssen uns auch in CDU damit auseinandersetzen, dass wir zunehmend Mitglieder haben, die keine religiöse Bindung pfl egen. Eine der Fragen, die wir uns stellen ist, ist es für eine Partei noch opportun, in einer Zeit, in der der Anteil der kirchlich Gebundenen, der religiös Engagierten zurückgeht, überhaupt noch ein „C“ im Namen zu führen. Ist das ein Anachronismus? Die Antwort vorweg: Ich glaube, dass das „C“ in der heutigen Zeit sogar noch notwendiger ist als es früher war. Deshalb würde ich immer dafür kämpfen, dass wir es beibehalten, nicht nur in unserem Namen, sondern auch in der Ausprägung unseres Programms. Unser „C“ hat nichts Ausschließendes. Jeder kann bei uns Mitglied werden, egal, welchen Glauben er hat. Das „C“ steht nicht für eine Politik, sondern dafür, dass wir das christliche Menschenbild in den Mittelpunkt stellen, und das bietet Raum für alle, die sich engagieren wollen. Und dass die Rückbesinnung auf vermeintlich eigene Traditionen und Werte eben nicht nur dann und nicht nur in der Funktion als Abwehr gegen andere geschieht. Nein, es muss vielmehr eine Selbstvergewisserung aus eigener Stärke sein.
Die Kirchen und Synagogen werden immer leerer, die Moscheen immer voller ... wir verlieren Gott und damit auch viele Werte. Wie kann eine Partei, die das „C“ im Namen hat, den Glauben wieder „in“ machen?
Das ist für uns eine wirklich wichtige Frage. In meiner Kindheit ging man zur Kirche, weil das einfach so war, man dachte nicht groß darüber nach. Heute engagieren sich weniger Menschen in der Kirche, weniger Menschen besuchen die Gottesdienste. Doch die Jüngeren, die dies heute tun, tun es sehr viel bewusster. Sie haben sich ganz bewusst für das kirchliche Engagement entschieden und darin steckt auch eine Chance. Das verändert Kirche. Wir müssen uns auch in CDU damit auseinandersetzen, dass wir zunehmend Mitglieder haben, die keine religiöse Bindung pflegen. Eine der Fragen, die wir uns stellen ist, ist es für eine Partei noch opportun, in einer Zeit, in der der Anteil der kirchlich Gebundenen, der religiös Engagierten zurückgeht, überhaupt noch ein „C“ im Namen zu führen. Ist das ein Anachronismus? Die Antwort vorweg: Ich glaube, dass das „C“ in der heutigen Zeit sogar noch notwendiger ist als es früher war. Deshalb würde ich immer dafür kämpfen, dass wir es beibehalten, nicht nur in unserem Namen, sondern auch in der Ausprägung unseres Programms. Unser „C“ hat nichts Ausschließendes. Jeder kann bei uns Mitglied werden, egal, welchen Glauben er hat. Das „C“ steht nicht für eine Politik, sondern dafür, dass wir das christliche Menschenbild in den Mittelpunkt stellen, und das bietet Raum für alle, die sich engagieren wollen.
War es in dieser Situation nicht übereilt, im vergangenen Jahr wegen der Siedlungspolitik Jerusalems die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen auszusetzen?
Nach meinem Eindruck verfolgt der neue Bundesaußenminister einen anderen Ansatz gegenüber Israel und das ist das Entscheidende. Es ist der richtige Ansatz. Die Tatsache, dass eine seiner ersten Reisen als Außenminister Heiko Maas nach Israel führte, spricht eine ganz klare Sprache.
Die USA hat Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt. Das stößt auf massiven Widerstand, auch hierzulande. Doch Jerusalem war bereits in biblischer Zeit Hauptstadt Judäas und ist seit 70 Jahren die Kapitale Israels…
Nach wie vor stehen wir hinter einer Zwei-Staaten-Lösung. Ob die Verlagerung der US-Botschaft in der gegenwärtigen Situation auf dem Weg zu diesem Ziel hilfreich ist oder weniger hilfreich, kann man unterschiedlich bewerten. Persönlich wünsche ich mich sehr, dass Jerusalem, das schon immer eine ganz besondere Stadt war für Menschen vieler Religionen, seinen besonderen Charakter in einem verbindenden Sinne stärker zeigen kann als das heute der Fall ist. Ich würde mir sehr wünschen, dass eine Zeit kommt, in der Jerusalem auch ein Symbol dafür sein wird, dass man Unterschiedliches glauben und trotzdem gut zusammenleben kann – was im Alltag heute schon dort oftmals besser gelingt, als das die ein oder andere Schlagzeile glauben macht.