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Digitale Sitzung des BFA Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land
Der Bundesfachausschuss (BFA) Gleichwertige Lebensverhältnisse hat angesichts der Corona-Situation zum ersten Mal vollständig digital getagt. Unter der Leitung von Stefan Evers MdA ging es um die politische und wirtschaftliche Lage in den neuen Ländern drei Jahrzehnte nach der Deutschen Einheit. Mit Dr. Matthias Haß, sächsischer Finanzminister bis 2019, und André Neumann, Oberbürgermeister der thüringischen Stadt Altenburg, standen zwei engagierte Experten Rede und Antwort, die über eine große Sachkenntnis und reichlich praktische Erfahrung verfügen.
Trotz oder gerade in der Corona-Krise darf das Ziel der Schaffung Gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands nicht aus dem Blick verloren werden. Es muss jetzt schon an passgenauen Lösungen zur Krisenbewältigung für die unterschiedlichen Regionen gearbeitet werden. Corona darf Unterschiede in der Wirtschafts- und Finanzkraft nicht noch verschärfen. Deshalb plädierten die Experten und Mitglieder des BFAs dafür, schnell Instrumente zu entwickeln, die für kleinteilige Wirtschaftsstrukturen, wie man sie gerade in vielen Regionen in den neuen Ländern findet, Perspektiven für die Zeit nach der Corona-Krise bieten.
Schon bis jetzt ist beachtlich, was Bund und Länder mit dem Strukturstärkungsgesetz zur Flankierung des Braunkohleausstiegs auf den Weg gebracht haben. Es stehen allein für die Braunkohleregionen bis 2038 rund 40 Mrd. Euro bereit zur Förderung neuer zukunftsfähiger Wirtschaftsbereiche und moderner Infrastruktur. Hinzu kommt das neue gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen insgesamt. Aber es braucht mehr als das: ein integrierte an Ergebnissen orientiertes Gesamtkonzept, bei dem alle Ebenen zusammenwirken und den Weg im Bundes- und Landesrecht frei machen für Planungsbeschleunigung und günstige Wirtschaftsbedingungen.
Deshalb will der BFA das Thema „Sonderwirtschaftszonen“ weiter vorantreiben. Es geht vor allem um Regionen mit extremer Strukturschwäche, zum Beispiel aufgrund einer geografischen Randlage, wie an der deutsch-polnischen Grenze. Chancen zur Realisierung sehen die Experten, wenn kein deutscher Sonderweg versucht wird, sondern dafür im europäischen Kontext Kriterien geschaffen werden. Klare Standortvorteile, vor allem weniger Regulierung und Bürokratie und ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur sind ein starkes Signal an Unternehmen und Start-Ups, sich bevorzugt in solchen Regionen anzusiedeln.
Das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist nicht allein national zu lösen. Ein ganz großer Hebel sind die Programme der EU. Hier stehen wir vor der Herausforderung, die Kontinuität der Förderung trotz Brexit und anderer Finanzbelastungen in Europa in der neuen EU-Förderperiode ab 2021 zu sichern.
Auch brauchen die Kommunen vor Ort mehr Spielraum, denn sie wissen meist selbst am besten, was gut für die Entwicklung ist. Dieser ist derzeit u. a. durch die Übertragung von immer mehr Aufgaben von Bund und Ländern begrenzt. Deshalb sollten die Kommunen ein Recht auf finanzielle Mindestausstattung haben und mehr Flexibilität. Gefördert werden soll, was die Menschen vor Ort brauchen und glücklich macht und nicht das, was gerade in Förderprogrammen angeboten wird.
Einig waren sich die Experten und BFA-Mitglieder auch, dass die Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten ausgebaut und gesichert werden muss. Demografischer Wandel und Abwanderung sind kein Argument dagegen, denn alle Menschen in Deutschland haben ein Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse. Zudem haben Länder, die schon früh auf Regionalentwicklung und Infrastrukturausbau gesetzt haben und eine aktive Ansiedlungspolitik von Wirtschaftsunternehmen, Behörden und Hochschulen betrieben haben, große Erfolge erzielt. Bayern und Baden-Württemberg sind gute Beispiele dafür. Ebenso wie der Bund die Dezentralisierung von Behörden prüft, so sollten die Länder das konsequent tun, da sie noch ein erheblich größeres Potential dafür haben.
Oberbürgermeister Neumann mahnte an, länderübergreifend und überregional zu planen. Er verdeutlichte dies an seiner Stadt Altenburg, die als wunderschöne historische Stadt in strukturschwachem Gebiet, aber mitten in einem großen Chancenraum mit guter Anbindung an die Wirtschaftszentren in Thüringen und vor allem Sachsen liegt. Um die Chancen tatsächlich nutzen zu können, müsste der Infrastrukturausbau über die Ländergrenzen hinweg gedacht werden. Eine vierspurige Straße dürfe nicht an einer Landes- oder Kreisgrenze plötzlich zweispurig werden. Dabei gehe es nicht nur um den Ausbau, sondern 30 Jahre nach der Einheit auch um den Erhalt der Qualität von Straßen und anderen Infrastruktureinrichtungen.
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